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Der Koran entlarvt den „Islamischen Staat“ als antiislamisch

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Terror-Chef Al-Bagdadi hat Muslime aller Welt zu den Waffen gerufen. Nicht nur der gesunde Menschenverstand hält davon ab, ihm zu folgen, sondern auch islamische Ein Kommentar von Tahir Chaudhry

 

Der selbst ernannte Kalif des „Islamischen Staates“ hat Muslime aus aller Welt erneut  aufgefordert, seinen Terror-Feldzug zu unterstützen. „Es gibt keine Entschuldigung für Muslime, nicht dem Islamischen Staat beizutreten“, betonte der IS-Chef Al-Bagdadi nun in einer Audio-Botschaft. Die meisten Muslime werden diesen Appell natürlich weit von sich weisen. Aus gesundem Menschenverstand, aber auch, weil hier Terroristen das Label „Muslim“ missbrauchen – in völliger Verkennung der islamischen Frühgeschichte und der religiösen Prinzipien des Islam.

Islamisten ziehen sich aus 6.000 Versen sechs heraus, um ihre menschenverachtende Ideologie zu rechtfertigen. Sie behaupten zu wissen, was der „wahre“ Islam sei. Die westlichen Islamkritiker sind bereit, diese Interpretation der Extremisten zu akzeptieren, um ein Terrorpotenzial in seinen Quellen ausmachen zu können. Warum aber kommen sie nicht auf den Gedanken, dass nicht eine bestimmte Lesart des Koran zur Gewalt führen muss – sondern die Lust an der Gewalt zur entsprechenden Lesart?

Der Koran ist kein Nachschlagewerk, wie viele Menschen im Westen – und auch viele ungebildete Muslime – glauben. Es ist ein Buch, das als Gesamtwerk im historischen und textuellen Kontext verstanden werden muss.

 

Muslime müssen Verteidiger der Glaubensfreiheit sein

Der Islam ist deshalb längst keine pazifistische Religion. Es gibt Koranverse, die Gewalt rechtfertigen. Immerhin entstand der Islam in kriegerischen Zeiten, indem Muslime ständig fürchten mussten, ausgerottet zu werden. Für die Mekkaner des 7. Jahrhunderts galt die Botschaft des Propheten Mohammed als Blasphemie. Außerdem sahen sie ihr Geschäft und ihre Macht gefährdet. Sie verspotteten, verfolgten und töteten die frühen Muslime. Erst nach 13 Jahren, als die Muslime aus Mekka auswanderten und trotzdem weiter verfolgt wurden, verkündete der Prophet, dass es erlaubt sei, zu den Waffen zu greifen. Unmittelbar danach begrenzte er diese Erlaubnis zum Kampf: „Und wenn sie sich dem Frieden zuneigen, dann neige (auch du) dich ihm zu (und lass vom Kampf ab)!“ (8:61).

Im Koran heißt es explizit, dass nur diejenigen sich verteidigen dürfen, denen „Unrecht geschehen ist“ und die „unberechtigterweise aus ihren Wohnungen vertrieben worden sind, nur weil sie sagen: Unser Herr ist Allah!“.  Im nächsten Vers wird erklärt, dass wenn Muslime sich weiterhin zurückhalten würden, „Klöster, Kirchen, Synagogen und (andere) Kultstätten zerstört würden, in denen der Name Allahs unablässig erwähnt wird.“ (22:40). Vor diesem Hintergrund ist die blinde Zerstörungswut des IS, die sich gegen die Heiligen Stätten aller Andersgläubigen und auch ihrer Glaubensbrüder richtet, Verrat an ihrer eigenen Religion.

 

Für den Krieg gibt es Regeln und Grenzen

Der erste Kalif des Islam, Abu Bakr, mit dessen Namen sich der Terror-Chef des IS nun schmückt, führte zwar tatsächlich mehrere Kriege. Vor dem ersten Marsch verbot er den Kämpfern jedoch, Menschen zu betrügen und auszubeuten. Er forderte: „Verstümmelt keine Leichen, tötet keine Kinder, keine alten Männer und keine Frauen!“ (at-Tabarī). Sie durften keine Bäume fällen, Tiere töten, Andersgläubige beim Gebet stören oder Kirchen und Tempel zerstören. Diese Regeln kennt die gesamte islamische Orthodoxie. Der IS-Terror kennt sie nicht.

Der Koran untersagt außerdem, dass Gefangene getötet werden – der IS köpft sie vor laufenden Kameras. Sklaverei wurde durch den Propheten Mohammed schrittweise abgeschafft. Mehrere Koranverse fordern eine Freilassung von Sklaven. Auch die beim IS beliebte Zwangskonvertierung widerspricht unzähligen Koranversen. So heißt es zum Beispiel: „Und wenn dein Herr wollte, würden die, die auf der Erde sind, alle zusammen gläubig werden. Willst nun du die Menschen (dazu) zwingen, dass sie glauben?“ (10:99).

 

Mohammed war kein machtbesessener Wüstenkrieger

Allerdings ist der Versuch radikaler Islamisten, den Propheten Mohammed als machtbesessenen Wüstenkrieger darzustellen, nicht bloß eine Erfindung der Islamkritiker. Radikale Denker entwickelten dieses Bild als Reaktion auf Fremdherrschaft und Kolonialismus. Es ist also nicht sinnvoll, die jüngste Geschichte des politischen Islam rückwirkend auf die gesamte Geschichte des Islam zu projizieren. Fanatiker gleich welchen Hintergrundes waren schon immer das Produkt von sozialen oder politischen Problemen.

Mohammed steht im Koran hingegen eher für seine unzähligen Akte der Gnade, Liebe und des Mitgefühls. Im Koran heißt es sogar: „Wir entsandten dich nur als eine Barmherzigkeit für alle Welten“ (21:107). Gemäß Eigendefinition ist der Koran eine „Rechtleitung für die Rechtschaffenen“ (2:2), die „Gereinigten“ (56:79) und nicht für Menschen gedacht, „in deren Herzen Verderbnis wohnt“ (3:7). 113 der 114 Suren des Koran beginnen mit den Worten „Im Namen Gottes des Gnädigen des Barmherzigen“.

Der IS fällt in vorislamische Muster zurück

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