Ausgewählt

Türkei-Wahlen: „Die AustrotürkenInnen in Österreich möchten nicht pauschalisiert werden“

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Werfen wir bitte nicht alle AustrotürkenInnen in den selben Topf.

In Österreich leben ca. 300.000 Menschen aus der Türkei, davon handelt es sich bei ca. 116.000 um türkische Staatsbürger (die Übrigen sind österreichische StaatsbürgerInnen und dürfen demnach nicht wählen). Davon sind wiederum nur 55.000 Personen tatsächlich auch wählen gegangen. Von diesen 55.000 in Österreich lebenden TürkInnen haben ca. 60 % (33.000) für die AK Partei und ca. 70 % (38.000) für Erdogan gestimmt. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Wahl zwei Stimmzettel für jede Wählerin und jeden Wähler zur Verfügung gestellt wurden. Ein Wahlzettel war dabei für die türkische Parlamentswahl (Wahl der Parteien mit 600 Abgeordneten) gedacht, der zweite Stimmzettel diente für die Präsidentschaftswahl.

Die unumstößliche Meinung vieler, dass AustrotürkInnen mehrheitlich eine Partei oder einen Politiker aus der Türkei wählen, ist demnach sehr pauschalisierend und de facto diskriminierend. Denn wie sich hier zeigt, stimmt das nicht. Es stimmt nicht, dass die Mehrheit der AustrotürkInnen Erdogananhänger oder einer anderen Partei in der Türkei. Die sind verschieden, farbig, die Mehrheit möchte mit den Parteien in der Türkei nichts zu tun haben, weil ihre Zukunft in Österreich liegt. Sie wünschen sich eine demokratische rechtsstaatliche Türkei, wo Grundrechte, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit als oberste Priorität behandelt wird. In der derzeitigen Türkei ist dies durch diese Parteien und die gegenwärtige Regierung nicht der Fall.

Man kann nicht alle 300.000 Menschen mit türkischer Abstammung, die in Österreich leben, mit jenen ca. 33.000 Menschen gleichsetzen, die die AKP bzw. Erdogan gewählt haben, da diese nur 10 % aller AustrotürkInnen ausmachen. Die Mehrheit der in Österreich lebenden Menschen mit türkischer Abstammung möchte mit den Wahlen in der Türkei nicht identifiziert werden, weil sie an dieser Wahl nicht teilgenommen hat bzw. kein Interesse daran haben oder auch aktiv als österreichische StaatsbürgerInnen mit türkischen Wurzeln bei den österreichischen Parteien mitarbeiten.

Aus diesem Grund bitten wir alle PolitikerInnen und geschätzte Medienleute, hier die Spreu vom Weizen zu trennen und nicht alle Personen mit türkischen Wurzeln aufgrund der Wahlen in der Türkei zu pauschalisieren und in weiterer Folge allesamt an den Pranger zu stellen. Denn genau das wollen nicht alle, aber einige Parteien/PolitikerInnen aus der Türkei bezwecken.

Man sollte sich hier den Frieden der Republik Österreich und des interkulturellen Zusammenlebens der Bevölkerung vor Augen halten und stets um dessen Schutz bemüht sein.

Denn unsere neue Heimat ist Österreich und wir schätzen dieses schöne, friedvolle Land für seine guten Werte und den respektvollen Umgang mit den meisten AustrotürkInnen. Wir sind stolz, BürgerInnen eines Rechtsstaates zu sein, wo die Gewaltenteilung, die Grundrechte der Presse-und Meinungsfreiheit sowie die Würde jedes einzelnen Menschen geschützt wird und im Prinzip von „Check and Balance“ (Überprüfung und Ausgleich) immer unter strenger Kontrolle steht. Die meisten der 300.000 Austrotürken sind ein Teil der Republik Österreich. Wie auch Experten bestätigen: „Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Republik Österreich, insbesondere an der Demokratie und der Pluralität.“

Die TürkInnen stehen der österreichische Mentalität sehr nahe. Fleiß, Ehrlichkeit und Höflichkeit sind gemeinsame Tugenden, und besonders letzteres wird von vielen TürkInnen besonders an den ÖsterreicherInnen geschätzt . So werden diese als geduldig, flexibel und sensibel charakterisiert, außerdem als traditions- und kulturbewusst.

Ein wunderbares Beispiel dafür, wieviele Gemeinsamkeiten sich in der Kultur der ÖsterreicherInnen und TürkInnen finden lassen, zeigt das folgende türkische Sprichwort: „Eine Tasse Kaffee gewinnt das Herz für vierzig Jahre.“ Das Verstehen von Menschen beginnt mit gutem Zuhören und wo lässt es sich besser reden, als bei einer Tasse dampfendem Kaffee? Wer sich auf eine Tasse Kaffee trifft, nimmt sich Zeit für einander. Das ist die Besonderheit der österreichischen Kaffeehauskultur, geht jedoch in zwischenmenschlicher Hinsicht noch viel weiter darüber hinaus. Wir sollten also mehr Kaffee zusammen trinken.

Türkische KULTURgemeinde in Österreich
Obmann
DI Birol Kilic

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