KulturReligion

Heirat und Tod in der Türkei

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Von Canan Bulkur, Birol Kilic

 

Kleinasien beherbergt seit den frühesten und den bekannten Epochen der Menschheitsgeschichte bis heute eine bunte Vielfalt von Zivilisationen; laut historischen und archäologischen Quellen blickt es auf eine zehntausendjährige Geschichte zurück und stellt heute die Summe der Errungenschaften all dieser Zivilisationen dar.

 

Alle monotheistischen und  polytheistischen Religionen, die einst hier aufeinander trafen, sich vermischten und verwoben, bilden das Erbe der  anatolischen Kultur. So blieb auch der Islam als die Religion, die heute in dieser Region am weitesten verbreitet ist, nicht unbeeinflusst von all diesen verschiedenen Religionen.

 

Jeder Mensch wird in einen bestimmten Kulturkreis hineingeboren, wo er aufwächst, sich entwickelt und bis zu seinem Tod lebt. In diesem Sinne kommt dem Kulturkreis die Aufgabe zu, dem Individuum zu einer Identität zu verhelfen. So basieren auch die Geschlechterrollen, die Ehe als eine gesellschaftliche Institution sowie deren Rituale und Feste auf diesem Selbstverständnis der kulturellen Identität.

 

Heiratsbräuche in der heutigen Türkei

Die Ehe ist eine Institution, innerhalb derer zwei Menschen verschiedenen Geschlechts die Entscheidung treffen, ihr Leben zusammen zu verbringen. Diese Institution ist sowohl von einer rechtlichen wie einer religiösen Seite geprägt. Der Islam sieht die Ehe als eine religiöse Pflicht und begreift sie als Garant für die Gründung von Familien und den Fortbestand der gesellschaftlichen Sittlichkeit. Aus diesem Grunde werden auch sämtliche Zeremonien in Zusammenhang mit der Ehe als religiöse Pflichten aufgefasst. Im Folgenden werden nun die Rituale und Feste bezüglich der Ehe einzeln aufgeführt.

 

Heiratsfähigkeit und -alter

Generell gibt es eine Reihe von Maßstäben, nach denen bestimmt wird, ob eine Frau oder ein Mann im heiratsfähigen Alter ist. Diese Maßstäbe wurzeln in den Traditionen. In der Türkei wird der Beginn des Pubertätsalters auf 10 bis 14 Jahre angenommen. Die Pubertät verursacht sowohl bei Jungen wie bei Mädchen biologisch-physiologische sowie psychologische Veränderungen. Zusammen mit der Pubertät steigt auch die persönliche Verantwortlichkeit und Jungen wie Mädchen nehmen nunmehr an den wirtschaftlichen, sozialen sowie kulturellen Aktivitäten ihrer Familie teil. Wurde früher zwar das Pubertätsalter mit dem Heiratsalter gleichgesetzt, so ist dies heute, im Zeitalter der Moderne, nicht mehr von Gültigkeit. Nur in manchen ländlichen Regionen, in denen das traditionelle Leben noch andauert, wird diese Regel beachtet. In den Städten hingegen liegt das Heiratsalter weitaus höher, was seine Ursachen darin hat, dass sowohl die Traditionen an Einfluss verloren haben und die ökonomischen Bedingungen schwieriger sind. So wird es in den Städten als falsch angesehen, dass Mädchen und Jungen vor dem Abschluss der Schule heiraten.
Bei der Schließung von Ehen gibt es traditionell eine Hierarchie der Art, dass in einer Familie zuerst der älteste Bruder beziehungsweise die älteste Schwester heiratet, danach die anderen Geschwister. Doch auch dies hat sich in den letzten Jahren verändert. Bei der Eheschließung sind wirtschaftliche und soziale Kriterien von großer Bedeutung. Wie jedoch die Gesellschaft von geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen geprägt ist, hat dies auch seine Auswirkungen auf die Eheschließung. Das heißt, dass den Männern und deren Familien eine aktivere Rolle zugeschrieben wird als der Frau beziehungsweise deren Familie und demnach erwartet man Schritte hin zu einer Heirat von dem Mann oder dessen Familie.

 

Brautschau, Werbung um ein Mädchen, um die Hand anhalten, Brautwahl

Die Brautschau ist eine Einrichtung die dazu dient, dass sich die Familien der jungen Leute, die heiraten wollen, kennen lernen. Soll eine Ehe nach diesem Brauch geschlossen werden, geht man zur Brautschau zu der Familie des Mädchens, das von Verwandten des Mannes oder von Nachbarn ausgesucht wurde. Zuerst wird die in Frage kommende Braut von den weiblichen Verwandten des Mannes besucht und falls sie als geeignet angesehen wird, schildern diese den Besuch in lobenden Worten gegenüber dem zukünftigen Bräutigam. Wünscht dieser es, dann wird ein zweiter Besuch von Seiten der ältesten Mitglieder seiner Familie durchgeführt. Haben sich die Heiratskandidaten jedoch zuvor geeinigt, dann gehen die ältesten Mitglieder der Familie an einem vereinbarten Tag zu der Familie der zukünftigen Braut, um um ihre Hand anzuhalten. Dabei werden Süßigkeiten, insbesondere Schokolade, überreicht und diese müssen dann auf einem silbernen Teller angeboten werden. Diese Geschenke wie Blumen und Schokolade sind Zeugen der wirtschaftlichen Situation des Mannes. Aber auch im Hause der Frau werden Vorbereitungen getroffen. Als Wichtigstes zählt dabei die Zubereitung von Kaffee von Seiten der zukünftigen Ehefrau. Ohnehin ist der Kaffee in kultureller Hinsicht  in vielerlei Weise bedeutungsvoll: So trägt eine Kaffeetasse die Erinnerung von vierzig Jahren und deshalb ist es nicht grundlos, warum zu Beginn eines solch wichtigen Ereignisses wie Eheschließung Kaffee angeboten wird. Während des Kaffeetrinkens oder danach sagt dann der älteste männliche Verwandte aus der Familie des Mannes oder der Vater des zukünftigen Bräutigams – an dessen Stelle kann auch ein geachteter älterer Verwandter treten – die Worte: „Nachdem es Gott so gewollt hat, bitten wir um ihre Tochter für unseren Sohn“. Es ist eine kulturelle Eigenheit, dass die Familie der zukünftigen Frau sich bitten lässt und nicht sofort „Ja“ sagt, um zu zeigen, dass sie nicht daran interessiert sind, ihre Tochter sofort zu verheiraten. So antworten sie mit den Worten „Wenn es das Schicksal will“. Wird die Schokolade, die der Familie der Frau überreicht wurde, geöffnet und den Gästen angeboten, so kommt dieses einem „Ja“ gleich. Wird sie hingegen nicht geöffnet, so bedeutet dies, dass man noch etwas nachdenken möchte und ein zweiter Besuch muss gemacht werden. Bei diesem zweiten Besuch wird dann die Vereinbarung zur Eheschließung getroffen. Wurde die Schokolade indes geöffnet, wird gleich ein Tag vereinbart, an dem man sich das Wort geben wird.

 

Ehevereinbarung

Die Vereinbarung zur Schließung der Ehe kann sowohl an demselben Tag stattfinden, an dem man um die Hand der zukünftigen Braut anhält, wie auch an einem anderen Tag. Die Feier besteht im Anstecken der Ringe und wird im Haus der Frau durchgeführt. Die Fingerringe symbolisieren, dass sich Frau und Mann gegenseitig das Wort gegeben haben. Danach wird ein Termin für die Verlobung vereinbart, der nicht allzu spät liegen sollte, denn nach islamischem Brauch sollen die Heiratskandidaten so bald wie möglich verheiratet werden. Aus diesem Grunde wird gleich nach der Ehevereinbarung die religiöse Trauung, das heißt die Trauung vor dem Imam, vollzogen, ohne die weiteren Zeremonien abzuwarten. Dieser Brauch gewährleistet den Heiratskandidaten, dass sie sich in Ruhe treffen können.

 

Verlobung

In der Türkei werden alle Ausgaben für die Verlobungsfeier von Seiten der Braut aufgebracht, weshalb diese einen Spiegel der sozioökonomischen Lage der Frau darstellen. Die Familie des Mannes hingegen kleidet für die Verlobung die Frau neu ein und überreicht den Mitgliedern der Familie der Braut Geschenke, die aus handgefertigten Textilien bestehen und die wiederum die ökonomische Lage des Mannes spiegeln. Gleich nach der Verlobung wird von Seiten der Frau ebenfalls ein solches Geschenk, bestehend aus Textilien, zusammengestellt und der Familie des Bräutigams geschickt. Die Verlobungsfeier findet im Haus der Braut oder in einem dafür angemieteten Saal statt und sämtliche Verwandte und Nachbarn werden eingeladen. Es wird Essen oder auch nur Kuchen und süßes Gebäck verteilt. Die Mutter des Bräutigams überreicht der Braut, die das neue Verlobungskleid trägt, Schmuck, der aus einem Ring, einem Armreif oder einer Halskette bestehen kann. Bei der Verlobungsfeier wird ebenso der Verlobungsring an den Finger der rechten Hand von Braut und Bräutigam angesteckt, ein Amt, das einem der ältesten männlichen Verwandten aus der Familie der Braut zukommt. Liegen zwischen Verlobung und Hochzeit religiöse Feiertage, so überreicht der Bräutigam der Braut und ihrer Familie Geschenke. Fällt zum Beispiel das Opferfest in diesen Zeitraum, so kauft der Bräutigam einen Schafbock, schmückt ihn, färbt seinen Rücken mit Henna und schickt ihn der Familie der Braut. Ist die Familie des Mannes reich, so behängt sie darüber hinaus die Stirn des Schafbocks mit Gold. Die Gäste, die an der Verlobungsfeier teilnehmen, überreichen dem Paar Geschenke oder stecken Geld und Gold an ihre Kleidung. Die Dauer der Verlobungszeit bestimmen die Familien, jedoch wird gleich nach der Verlobung die religiöse Trauung vollzogen.

 

Hochzeitsvorbereitungen

In der Zeit zwischen Verlobung und Hochzeit vervollständigt die Braut ihre Aussteuer, die dann in eine Truhe gelegt wird. Die Aussteuer kann von der Mutter der Braut, einer Verwandten oder von der Braut selbst hergestellt werden. Die Holztruhen mit der Aussteuer sind von großer kultureller Bedeutung und sind daher verziert, wobei insbesondere Verzierungen aus Perlmutt sehr begehrt sind. Die Aussteuer der Braut wird einige Tage vor der Hochzeit gewaschen und diese Arbeit sollte von den Freundinnen der Braut erledigt werden. Die gewaschene und gebügelte Aussteuer wird zuerst im Haus der Braut zur Ansicht ausgebreitet und diejenigen, die die Aussteuer inspizieren möchten, bringen ein Geschenk mit. Danach wird die Aussteuer in das Haus gebracht, in dem das Paar leben wird, wobei diese Prozedur von regional unterschiedlichen Bräuchen begleitet ist. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass es ein vergnügliches Unternehmen ist. In manchen Gegenden wird die Aussteuer in das neue Haus gebracht, noch bevor die Braut eingetroffen ist, in anderen Regionen gemeinsam mit der Frau. Die Aussteuer symbolisiert die Ehre der Braut und wird deshalb mit Sorgfalt vorbereitet und überbracht. Und alle wollen die Aussteuer bestaunen.

Die Hochzeit ist eine Feier, die verschiedene Stufen umfasst und in ländlichen Gebieten drei bis sieben Tage dauern kann, in den Städten hingegen eins bis zwei Tage.
Der Termin für die Hochzeit wird gemeinsam festgelegt und vor der Hochzeit wird gemeinsam mit der Braut ein Hochzeitseinkauf unternommen, bei dem neben notwendigen Dingen auch das Kleid für die Henna-Nacht sowie das Brautkleid erstanden werden. Verlobung und Hochzeit können am selben Tag und am selben Ort gefeiert werden, die Verlobung in einem Saal der Stadtverwaltung und die Hochzeit in einem anderen Saal, in dem dem Vergnügen keine Grenzen gesetzt sind. Mietet man einen solchen Saal an, dann kann der Standesbeamte auch dorthin bestellt werden.

Zur Hochzeit werden andere Gäste als zur Verlobung geladen. In manchen Gegenden wird an das Haus des Bräutigams eine Fahne, meist die türkische, angebracht als Zeichen, dass eine Hochzeit stattfinden wird.

 

Die Nacht der Henna

Die Henna-Nacht ist eine Feier, die am Tag vor der Hochzeit durchgeführt wird. Es ist die letzte Nacht, die die Braut nur unter Frauen, darunter die weiblichen Mitglieder ihrer Familie und Nächsten sowie ihre Freundinnen, und als Jungfrau verbringen wird. Traditionell ist diese Feier von Traurigkeit bestimmt, verläuft in den Städten heute aber vergnüglicher, denn es wird als das letzte Amüsement vor der Eheschließung betrachtet. Heutzutage werden in städtischen Regionen Ehen ausschließlich vor dem Standesbeamten geschlossen.

Das Färben mit Henna ist eine Tradition, die weit zurückreicht. Die Hände der Braut, des Bräutigams und der geladenen Gäste werden mit Henna gefärbt, womit die Heiligkeit der Ehe zum Ausdruck gebracht wird. Denn die schützende Eigenheit der Henna ist seit alters her bekannt und man bezweckt mit ihrem Auftragen, dass die Ehe lang währt und beschützt wird.

Die Henna, mit dem die Hände der Braut eingefärbt werden, wird von der Familie des Mannes gekauft. Henna, Nüsse und andere Knabbereien, ein Tag vor der Henna-Nacht eingekauft, werden in das Haus der Braut geschickt, manchmal auch mitgebracht, wenn man zur Henna-Nacht geht. Die Henna wird auf spezielle sorgfältige Weise auf einem Tablett vorbereitet.

Die Henna-Nacht findet im Haus der Braut statt. Die geladenen Frauen und Mädchen aus der Familie des Bräutigams versammeln sich zuerst in dessen Haus und gehen dann zusammen zu dem Haus der Braut. Bis die Frauen aus der Familie des Bräutigams eintreffen, vergnügen sich die Braut und ihre Gäste, um dann in eine traurige Stimmung zu verfallen und das Vergnügen den Frauen aus der Familie des Bräutigams zu überlassen.

Die Braut trägt in dieser Nacht eine besondere Kleidung und ihr Kopf ist mit einem roten Schleier verhüllt. Die Henna wird vorbereitet und dann in ein silbernes oder aus Kupfer hergestelltes Tablett gegeben. Die Henna wird  von einer Frau aufgetragen, die allseits geachtet und beliebt ist. Die Braut sitzt in der Mitte und ihr Gesicht ist in Richtung Mekka gewandt. Die jungen Mädchen um sie herum singen Lieder und Gebetsweisen. Das Tablett mit dem Henna und den brennenden Kerzen darauf lässt man um den Kopf der Braut kreisen, manchmal wird das Tablett auch auf dem Kopf der Braut gedreht, darunter ein Kissen. Sollen die Hände der Braut mit Henna eingefärbt werden, so öffnet diese ihre Hände nicht gleich. Erst wenn ihre Schwiegermutter ihr Gold in die Hand legt, öffnet sie diese und die Hände, in manchen Gegenden auch die Füße, werden mit Henna gefärbt. In einigen Regionen wird zu diesem Zeitpunkt der Zeremonie der Bräutigam eingelassen und die Hände von Braut wie Bräutigam werden zu gleicher Zeit mit Henna gefärbt. Damit wird die Heiligkeit der Ehe in noch bedeutungsvollerer Weise unterstrichen. Während dem Färben mit Henna werden die traurigsten Lieder gesungen, um die Braut zum Weinen zu bringen, denn ihr Weinen ist unabdingbar. Die Lieder handeln von der Mutter und von Trennung. Im Allgemeinen berichten die Weisen, die in der Henna-Nacht gesungen werden, von Kummer und Unrecht, von Fremde und den Schwierigkeiten des Lebens. Während dieser Zeremonie bringen die Frauen mit diesen Liedern das zum Ausdruck, was ihnen öffentlich zu sagen nicht erlaubt ist. Generell weicht die Traurigkeit nach dem Färben mit Henna einer allgemeinen Heiterkeit. Ist die Henna-Nacht zu Ende, gehen die verheirateten und älteren Frauen nach Hause, die jungen Mädchen hingegen verbringen die Nacht an der Seite der Braut, wobei es Bedingung ist, nicht zu schlafen. Denjenigen, die dennoch einschlafen, werden Streiche gespielt: Ihre Gesichter werden eingefärbt oder ihre Kleider ans Bett angenäht.

 

Das Abholen der Braut

Im Rahmen dieser Zeremonie wird die Braut vom Haus ihrer Familie abgeholt und in das Haus des Bräutigams gebracht. In den Städten begeben sich die Paare gleich nach der Hochzeit auf die Hochzeitsreise. Deshalb ist das traditionelle Abholen der Braut nach dem Hochzeitsfest eine durchaus feierliche Angelegenheit. Der Hochzeitszug geht – zu Fuß, wenn es nah ist, mit dem Auto, wenn der Ort entfernter liegt – zum Haus der Braut. Die Schwiegermutter nimmt allerdings an diesem Hochzeitszug nicht teil. Die Braut wartet zu Hause auf den Hochzeitszug, der von unterschiedlichsten Vergnügungen begleitet ist, die je nach Region verschieden sind. So ist es Brauch, den Weg des Hochzeitszuges abzuschneiden und Geld zu verlangen, um diesen wieder frei zu geben, was selbst in den Städten praktiziert wird.

Kommt der Hochzeitszug beim Haus der Braut an, wird Geld verlangt, damit die Türe geöffnet wird. Während sich die Braut vorbereitet, tanzen die Teilnehmer des Hochzeitszuges vor dem Haus. Die Braut erhält von ihrem Vater die erbetene Erlaubnis und dieser bindet ihr eine rote Schleife zum Zeichen ihrer Reinheit und Ehre um die Hüfte. Anstelle des Vaters kann auch der ältere Bruder diese Zeremonie ausführen. Während sich die Braut aufmacht, das Haus zu verlassen, setzt sich ihr kleinster Bruder auf die Truhe mit der Aussteuer und erst wenn er Geld erhält, kann die Braut aus dem Haus treten. Die Mutter der Braut weint, denn es ist der letzte Abschied von ihrer Tochter.
Der Bräutigam nimmt die Braut unter den Arm und führt sie aus dem Haus. In den Städten wird Konfetti über der Braut in die Luft geworfen, in ländlichen Regionen Weizenkörner als Symbol für Fruchtbarkeit. Während dieser Zeremonie werden von der Braut bestimmte Handlungsweisen erwartet, die sich zwar von Region zu Region ändern, deren gemeinsames Ziel jedoch darin besteht zu gewährleisten, dass das Eheleben glücklich beginnt und dauerhaft weiter besteht. Einige dieser Handlungsweisen sind:

–    Während die Braut das Haus verlässt versetzt sie der Türe einen Fußtritt, damit ihre schlechten Veranlagungen hinter ihr bleiben.
–    Die Braut nimmt den Koran unter den rechten und ein Brot unter den linken Arm zum Zeichen ihres guten und sittlichen Charakters und als Symbol dafür, dass sie eine gute Hausfrau werden wird.
–    Man gibt der Frau Sauerteig oder Haushaltsgeräte wie einen Besen oder ein Nudelholz in die Hand, damit sie eine gute Hausfrau wird und ihren Haushalt mit Geschicklichkeit führt.

Dem Hochzeitszug werden verschiedenste Geschenke überreicht und wenn die Braut ihr Elternhaus verlässt, werden Lieder gesungen und die Braut steigt in das Auto (in vergangenen Zeiten benutzte man auf den Dörfern eine Pferdekutsche). Während des Einsteigens wird direkt vor ihren Füßen ein Tonkrug zerbrochen, um das neue Leben für heilig zu erklären.

 

Die Braut wird in das Haus des Ehemannes gebracht

Wird der Brautzug nicht aufgelöst, nachdem die Braut abgeholt wurde, so sucht dieser wichtige Orte auf. Noch bevor die Braut am Haus des Ehemannes ankommt, erhält die Braut Geschenke von Schwiegermutter und Schwiegervater. Während sie im Auto sitzt, legt man ein Baby in ihre Arme, um ihre Gebärfähigkeit zu steigern. Unter Gebeten steigt die Braut aus dem Auto, wobei man auf die unterschiedlichsten Bräuche treffen kann. In manchen Region muss die Braut auf einen Löffel treten oder diesen zerbrechen. In wieder anderen Regionen muss sie auf einen umgedrehten Kessel treten, manchmal auf ein Hanfseil. Diesen Bräuchen ist die Absicht gemein, die Ausdauer der Braut zu stärken. In manchen Gegenden muss die Braut auf ein Schaffell treten um damit zu zeigen, dass sie fügsam ist. Während die Braut aus dem Auto steigt werden vom Dach aus Trauben, geröstete Kichererbsen und die Früchte der Ölweide über sie gestreut. Dies gibt dem Wunsch Ausdruck, dass ihr Haus fruchtbar sein soll. In anderen Gegenden wiederum wird der Wunsch, dass die Braut von gutem Charakter ist, mit dem Zerbrechen eines Glases oder eines Tontopfes bestärkt. Bevor sie durch die Türe tritt, wird der Braut in manchen Gegenden auch ein Löffel Honig gegeben mit dem Wunsch, über ihre Lippen sollen keine schlechten Worte treten. Der Bräutigam muss hingegen je nach Region einen Granatapfel, einen Apfel oder eine Orange so auf den Boden werfen, dass sie in Teile zerberstet um damit zu zeigen, dass er seine Familie beschützt und sich um sie kümmert.

Ist die Braut bis zu der Türe ihres neuen Heims gekommen, nimmt man ihr den Brautschleier ab. Das Betreten des Hauses unterliegt wiederum verschiedensten Zeremonien, deren gemeinsames Ziel der Wunsch ist, dass die Braut verständnisvoll und von gutem Benehmen ist und dass nur freundliche Worte von ihr zu vernehmen sein werden. Auch soll mit diesen Bräuchen verhindert werden, dass in der großen Familie Probleme auftreten. Ein Teil dieser Bräuche wird in den Städten nicht mehr praktiziert, manchmal sind sie auch ganz verschwunden. Da die Großfamilie in den Städten an Bedeutung verloren hat und die Jugendlichen heute ihr eigenes Heim gründen, sind diese Bräuche nur noch in manchen Dörfern oder Gegenden, in denen das traditionelle Leben andauert, aufzufinden.  Zu diesen Bräuchen zählen: Die Braut springt auf dem rechten Fuß über die Schwelle und küsst die Hände der Älteren. Man lässt Braut und Bräutigam Fruchtsaft trinken und bittet sie in das Zimmer, wo der Bräutigam seiner jungen Frau ein Geschenk überreicht. In manchen Regionen wird der Braut erst zu diesem Zeitpunkt der Schleier abgenommen. Danach verlassen sie das Zimmer und vergnügen sich bis zum Abend, der Bräutigam mit seinen Freunden, die Braut mit den Gästen, die in das Haus des frischen Ehemannes gekommen sind.

 

Erstmaliges Zusammenkommen

Das erste Zusammenkommen von Braut und Bräutigam, nachdem die religiöse wie standesamtliche Eheschließung vollzogen wurde, nennt man ‚GerdekÂ’. Nunmehr ist ihre Ehe sowohl von Gott wie von Seiten der Gesellschaft bestätigt worden. Auch wenn diese nicht rechtskräftig ist, so gibt es dennoch immer noch Ehen, die ausschließlich vor dem Imam vollzogen werden. Am verbreitetsten ist hingegen, die Ehe zugleich sowohl vor dem Imam wie auf dem Standesamt zu schließen.

Mit den Fäusten auf ihn einschlagend bringt man den Bräutigam in das Brautgemach. Mit dieser Zeremonie wird beabsichtigt, den Bräutigam für die Hochzeitsnacht zu stärken. Betritt der Ehemann das Brautgemach, verrichtet er das rituelle Gebet. Derweil hat man dem neuen Paar Speisen wie Huhn und Baklava gebracht. An der Seite der Braut befindet sich eine Frau, die das junge Paar auffordert, sich gegenseitig die Hand zu geben. Die Frau verlässt danach das Zimmer. Die Braut hüllt sich in Schweigen und der Bräutigam versucht sie zum Sprechen zu bringen, indem er ihre Geschenke überreicht.

Nach dem islamischen Glauben und der gesellschaftlichen Ethik darf die Braut auf keinen Fall vor ihrer Hochzeit mit einem Mann zusammen gewesen sein. Es ist Bedingung, dass ihrer Jungfernschaft von dem Mann, den sie heiratet, ein Ende gesetzt wird. In vielen Regionen ist dies eine Frage der Ehre. Aus diesem Grunde ist die Hochzeitsnacht die Nacht, in der die Ehre der Frau bestätigt wird. In manchen Gegenden wird die Tatsache, dass die Braut Jungfrau ist, mit Pistolenschüssen der gesamten Bevölkerung bekannt gegeben, in anderen Regionen hängt man stattdessen eine Fahne auf.

In den Städten sind solche Bräuche so gut wie verschwunden. Haben sie aber noch Bestand, so werden nach der Hochzeitsnacht Vergnügungen aller Art veranstaltet, um die Jungfräulichkeit zu feiern und um die Braut zu sehen. Diese breitet ihre Aussteuer aus, so dass alle Gäste sie betrachten können.

 

Die Eheschließung vor dem Imam, die religiöse Trauung

Die religiöse Trauung bedeutet aus dem Blickwinkel des Islam die Ehe zu heiligen und die Eheschließung vor dem Imam ist eine religiöse Feier, die die Anerkennung der Ehe vor Gott gewährleistet. Während früher ausschließlich religiöse Trauungen durchgeführt wurden, schließt man eine Ehe heute sowohl vor dem Imam wie auf dem Standesamt, um der Frau rechtliche Sicherheit zu bieten.

Die Trauung vor dem Imam ist eine religiöse Pflicht. Vor der eigentlichen Trauung hält der Imam eine Predigt, spricht Gebete und dankt Gott. Um die Trauung zu vollziehen sagt er: „Diese Frau (es wird der Name der Braut genannt) gebe ich Dir als Ehegattin“. Der Bräutigam oder ein Vertreter sagt daraufhin: „Auch ich erkläre mich einverstanden sie gegen eine Mitgift von … (die Summe wird mit lauter Stimme genannt) zu heiraten“. Mit diesen Worten, die in Anwesenheit von zwei Zeugen ausgesprochen werden, ist die Trauung vollzogen.

Das Wichtige bei der religiösen Trauung ist die Festsetzung der Mitgift, die man ‚mihirÂ’ nennt und die erhoben wird, um die Frau in der Zukunft abzusichern. Denn falls es zu einer Scheidung kommt, wird entsprechend der Mitgift die Entschädigung, die die Frau erhält, bestimmt. Die Mitgift kann in Form von Gold, Geld oder Gütern festgesetzt werden und wird im Allgemeinen in Anwesenheit von Zeugen in schriftlicher oder mündlicher Form festgehalten.

 

Begräbnis- und Beerdigungsbräuche in der Türkei heute

Die islamische Welt besteht aus vielen Glaubensrichtungen. Aus diesem Grunde wurden aus allen diesen Rechtsschulen die gemeinsamen Bräuche ausgesucht und ausgewertet. Wenn heute auch sämtliche Bräuche, die man im Hause des Verstorbenen durchführt und die die Beförderung des Sarges auf den Friedhof bestimmen, von Verstädterung und Industrialisierung beeinflusst sind, so handelt es sich hierbei jedoch um Bräuche, die zum größten Teil noch praktiziert werden.

Unterschiede sind im Alewitentum festzustellen. Der alewitische Glaube beruht auf Produzieren und Teilen, auf Teilnahme und dem Prinzip der Mehrheit sowie auf Freiheit und Gleichheit. Das Leben ist ein Kampf und Geburt, Heirat und Tod sind Stufen dieses Lebens. War der Verstorbene reich, so wird bei den Alewiten ein siebentägiges Totenmahl abgehalten (ein Überbleibsel aus der Tradition der Hettiter). War der Verstorbene hingegen arm, so wird in der Gemeinde Geld gesammelt, ein Opfertier geschlachtet und seine Schulden beglichen. Wird der Leichnam aus dem Haus heraus getragen, wird eine religiöse Feier durchgeführt, wobei Lieder in einer bestimmten Tonart gesungen werden. Mit dieser Feier und einem Eimer Wasser, der dem Sarg hinterher ausgeschüttet wird, gibt man dem Toten das letzte Geleit. Am Abend des Tages, an dem die Beerdigung stattfand, veranstaltet man für den Verstorbenen eine religiöse Versammlung mit einem Gottesdienst.

In manchen Regionen stehen dabei die Frauen, in Trauer gehüllt und ihr Kinn auf einer Haselnussgerte abgestützt. Hatte der Verstorbene Schulden, werden diese bezahlt und hatte er jemanden gekränkt oder beleidigt, so bittet man diese Person um Verzeihung, denn es ist nicht erlaubt, mit einer Ungerechtigkeit, die man begangen hat, in die Ewigkeit einzugehen. Die Beerdigungsfeierlichkeiten werden von den alewitischen Oberhäuptern geleitet. Das Oberhaupt spricht für den Verstorbenen folgende Worte: „Wenn das, was vor Dir liegt, Samt ist, so hast Du ihn selbst gewoben; sind es aber Dornen, so hast Du sie selbst gepflanzt“.

Das Opfertier, das am ersten Tag geschlachtet wurde, wird als Todesmahl dargereicht und auf diese Weise verteilt. Der Zeit zwischen dem ersten und dem vierzigstem Tag wird als dem „Ort zwischen Tod und Auferstehung“ gedacht. Am vierzigsten Tag nach der Beerdigung wird mit der Erlaubnis der Gemeinde ein weiterer Gottesdienst abgehalten. An diesem Tag wird ein Essen gegeben, eine religiöse Versammlung veranstaltet, im Kreise getanzt, Verse vorgetragen und Lieder gesungen. Nach alewitischem Glauben werden das Waschen des Toten, das Anlegen des Totenkleides und die Abhaltung von Gebeten nicht in der Moschee, sondern in den, der Gemeinde eigenen Versammlungshäusern durchgeführt. Die weiteren Bräuche gleichen größtenteils denjenigen der anderen Rechtsschulen, die im Folgenden dargestellt werden.

Eine Person, die sich im Sterben befindet, nennt man „muhtezar“. Diesem wird das Glaubensbekenntnis vorgetragen und der Sterbende wird aufgefordert, es selbst aufzusagen. Diesen Vorgang nennt man „telkin“ (Einflüsterung). Das Waschen des Toten nennt man „gaslşmeyyit“ und sämtliche Vorgänge, von der Totenwaschung bis zum Begräbnis nennt man „teçhiz“.

Das Waschen des Toten, seinen Leib in das Leichentuch einhüllen, das Abhalten des Totengebetes und die Bestattung sind religiöse Pflichten, genannt „farz“. Diese sind einzuhalten. Über den Verstorbenen sind nur gute Worte zu sprechen, man soll sich nur an seine guten Seiten erinnern und sich davor hüten, Schlechtes über ihn zu sagen.
Bei der Aufbahrung des Toten wird der Leichnam auf die rechte Seite in Richtung Mekka gedreht, seine Füße weisen ebenfalls in diese Richtung und sein Kopf wird etwas erhöht gelagert, damit gewährleistet wird, dass auch sein Gesicht in Richtung Mekka blickt.

Einer Person, die im Sterben liegt, bringt man den Kelime-i Tevhid oder das Glaubensbekenntnis und lässt es ihn auch selbst aufsagen. Dessen Sinn lässt sich in folgende Worte fassen: „Ich bitte Allah um Erbarmen und Barmherzigkeit. Denn ich glaube an ihn. Es gibt keinen Gott außer Allah“. Wenn das die letzten Worte eines Verstorbenen sind, dann geht er in das Paradies ein. Es gilt als gute Tat, im Haus eines Toten den Koran zu rezitieren, denn man geht davon aus, dass es die Seele des Toten beruhigen werde. Insbesondere wird empfohlen, die Suren „Yasin“ und „Rad“ zu lesen.

Sind die Augen nach Eintreten des Todes geöffnet, werden sie geschlossen und ein Band vom Kinn über den Kopf gebunden, damit auch der Mund geschlossen bleibt. Während dies getan wird, sagt man Gebete auf. Insbesondere folgendes Gebet ist für eine solchen Situation geeignet: „Mein Gott, stehe dieser Person bei. Mache ihn glücklich mit Deinem Gesicht. Schenke ihm in dieser anderen Welt, in die er sich begibt, mehr Gutes und Glück als er es in der Welt erfahren hat, von der er kommt“.

Zur Aufbahrung des Toten zieht man seine Kleider aus und legt ihn auf ein hölzernes Brett. Über ihn wird eine Decke ausgebreitet, die auch sein Gesicht bedeckt. Damit der Tote nicht anschwillt legt man ein Messer, einen Dolch oder ein Stück Eisen auf seinen Bauch. Arme und Hände werden an den Seiten ausgestreckt angelegt. Neben dem Toten sollte sich niemand aufhalten, der die rituelle Waschung nicht vorgenommen hat. Schöne Düfte sollen den Toten umgeben, wozu man ein Räucherstäbchen anzünden oder Rosenwasser versprühen kann. Solange der Tote nicht gewaschen ist, sollte man den Koran nicht rezitieren, man kann dies jedoch in einem anderen Zimmer tun. Ist ein solches nicht vorhanden, muss das Gesicht des Toten vollständig bedeckt sein und man kann mit leiser Stimme dann aus dem Koran lesen. Man sollte die Nachricht über seinen Tod allen Verwandten und Bekannten zutragen und sämtliche Angehörige, Nachbarn, Bekannte und alle, die er liebte, sollen an seiner Seite sein, um dem Verstorbenen ihre letzte Pflicht zu erweisen, was nach islamischem Glauben als fromme Tat nicht unbeantwortet bleiben wird.

 

Die Waschung des Toten

Es ist wichtig, den Toten schnellstens zu waschen, in ein Leichentuch zu hüllen und ihn zu begraben. Der Tote wird zur Waschung auf einem Holzgestell oder auf einem Holzbrett, auf dem Rücken liegend, aufgebahrt und seine Füße weisen nach Mekka. In der Umgebung des Toten werden wohlriechende Düfte verstreut, wozu Räucherstäbchen drei, fünf oder sieben Mal angezündet werden. Über den Toten wird bis zu den Knien eine Decke ausgebreitet und seine Kleider werden ihm ausgezogen. Der Tote muss an einem uneinsehbaren Ort gewaschen werden und die Waschung kann entweder der nächste Angehörige oder eine dafür beauftragte Person vornehmen, die für ihren Dienst Geld erhält. Handelt es sich bei dem Verstorbenen um einen Mann, so muss dieser ebenfalls von einem Mann gewaschen werden, dementsprechend muss die Waschung einer weiblichen Toten eine Frau vornehmen. Eine Ausnahme gilt nur für Ehegatten. Die Waschung beginnt mit dem Aussprechen der Bismillah-Formel und die Worte „Ich bitte Allah um Gnade“ werden bis zum Ende der Waschung wiederholt. Die Person, die die Waschung vornimmt, wickelt einen Stoff um ihre Hände oder trägt Handschuhe. An dem Toten muss die rituelle Reinigung vorgenommen werden und wenn kein Wasser vorhanden ist, kann dies auch mit sauberer Erde vollzogen werden. Dem Toten wird zuerst das Gesicht gewaschen. Weil der Mund geschlossen ist, kommen Mund und Nase nicht mit Wasser in Berührung, wie das eigentlich bei der rituellen Reinigung Vorschrift ist. Nur Lippen, Nasenlöcher und Bauchnabel werden gewaschen, wie auch Hände, Arme, Füße und der Kopf. Auf diese Weise ist die rituelle Reinigung vollzogen. Ist ein kleines Kind gestorben, muss die rituelle Waschung nicht vorgenommen werden. Nach dieser Prozedur wird warmes Wasser über den Toten gegossen, das Haar und – bei einem Mann – der Bart wird mit einer Pflanze namens „hatmi“ (Malve) gewaschen. Ist diese Pflanze nicht aufzufinden, werden Haare und Bart ungekämmt mit normaler Seife gereinigt. Danach wird die rechte und linke Seite des Körpers noch drei Mal gewaschen. Entsprechend den Vorschriften wird dies als genügend angesehen, auch wenn man den Toten noch weiter waschen kann. Dies zeugt wohl von geografischen Regionen, in denen Wasser knapp ist und nicht verschwendet werden darf. Zuletzt wird der Tote etwas angehoben und man wäscht seinen Rücken.

Haare und Nägel des Toten werden nicht geschnitten und ist der Verstorbene nicht beschnitten, so kann dies auch nachträglich nicht vorgenommen werden. Beim Waschen darf keine Baumwolle benutzt werden und nach der Waschung wird der Tote mit einem Handtuch abgetrocknet.

 

Das Leichentuch

Es ist notwendig, den Körper des Toten in ein Tuch zu hüllen, das im Allgemeinen weiß ist und aus Baumwolle besteht. Am besten ist weißer Wäschestoff. Für Frauen kann das Leichentuch auch aus Seide oder aus gefärbten Stoffen sein und das Leichentuch von Frauen wird fünf Mal, das von Männern drei Mal gefaltet. Bevor es um den Toten gehüllt wird, sprüht man drei oder fünf Mal Duftstoffe über das Tuch. Der Tote wird von links nach rechts in das Tuch gehüllt und wenn man befürchtet, dass sich das Tuch öffnen wird, kann man es mit einem Gurt zusammenbinden. Einer Frau werden, sind ihre Haare lang, zwei Zöpfe geflochten und über das Leichentuch über die Brust gelegt. Ihr Gesicht wird anschließend mit einem Tuch verhüllt. Das Leichentuch muss mit dem Geld des Verstorbenen gekauft werden. Ist kein Geld vorhanden, kommen die Angehörigen dafür auf oder es wird auf der Beerdigung dafür gesammelt. Das Leichentuch für Frauen bezahlen die Ehegatten. Schließlich legt man den in das Leichentuch gehüllten Toten in einen Holzsarg und bringt ihn zum Totengebet in die Moschee.

 

Das Totengebet

Für einen Toten, an dem die Waschung vorgenommen wurde und den man in ein Leichentuch eingehüllt hat, muss man das Totengebet nach Mekka gerichtet sprechen, nachdem man die rituelle Waschung vollzogen hat. Das Totengebet muss mit dem Aussprechen der Intention beginnen und es muss gesagt werden, ob es sich bei dem Toten um eine Frau, einen Mann oder um ein Kind handelt. Das Totengebet wird von dem Imam angeleitet, der das Gebet beginnen lässt, indem er mit lauter Stimme die Intention ausspricht, was – für einen Mann – mit den Worten geschieht „Für diesen Mann“ beziehungsweise für eine Tote „Für diese Frau“. Kıyam (Aufstehen) und tekbir (Aussprechen der Formel Allah ekber) sind Teile des Totengebets. Man steht in einer Reihe und wendet sich in Richtung des Toten und in Richtung Mekka. Dann erhebt man die Hände, spricht die Formel Allah ekber und verschränkt dann die Hände vor dem Bauch. Danach wird das Gebet Sübhaneke rezitiert und wieder spricht man, dieses Mal ohne die Hände zu heben, die Formel Allah ekber, um dann die Sure Fatiha zu lesen. Zum Schluss wird noch einmal die Formel Allah ekber gesprochen, ohne die Hände zu heben, und gemeinsam mit allen Muslimen für den Toten gebetet und bei Gott um Gnade für ihn gebeten. Damit endet das Totengebet. Es ist nicht notwendig, dass bei dem Totengebet viele Menschen anwesend sind. Spricht der Imam und ein Mann oder eine Frau das Totengebet, ist dies ausreichend. Auch wenn bei einem Totengebet nur Frauen anwesend sind genügt dies den Vorschriften. Bei dem Totengebet können Männer und Frauen in einer Reihe stehen, es wird jedoch als angemessener betrachtet, wenn die Frauen hinter den Männern stehen. Das Totengebet wird nicht in der Moschee, sondern in deren Garten abgehalten, wo der Tote auf einer Steinbank, genannt „musalla taşı“, aufgebahrt wird. Nur in der Moschee von Mekka wird das Totengebet in der Moschee abgehalten. Am Ort des Begräbnisses wird bei Sonnenaufgang und -untergang das Totengebet nicht gesprochen.

 

Das letzte Geleit

Nachdem das Totengebet abgehalten wurde, muss der Tote so schnell wie möglich bestattet werden. Den Sarg tragen vier Personen, die diesen von vier Seiten her auf ihre Schultern nehmen. Dies ist von großer Wichtigkeit, da sie damit dem Verstorbenen Ehre und Achtung erweisen. Einen Toten wie einen Gegenstand in einem Auto oder auf einem Tier zu befördern wird nicht als angemessen betrachtet. Trägt man ihn hingegen auf den Schultern, so zeigt man diesem Menschen den ihm zustehenden Wert. Handelt es sich bei dem Toten um ein Kind, so kann auch eine Person diesen Leichnam tragen. Der Sarg führt den Beerdigungszug an und die vier Personen, die den Sarg tragen, müssen sich von Zeit zu Zeit abwechseln. Ein Wechsel nach zehn Schritten gilt dabei als angemessen. Die Beerdigungsteilnehmer dürfen nie vor dem Sarg laufen und es ist ihnen untersagt, über tägliche Angelegenheiten zu reden. Sie sollten Gebete oder den Koran rezitieren. Auch ist es verboten, hinter dem Toten übermäßig zu weinen oder ein übertriebenes Verhalten zu zeigen, denn dies gilt als eine Verletzung der Hochachtung gegenüber Allah. Trauer zu zeigen und lautlos zu weinen entsprechen am ehesten der Situation.

 

Begräbnis

Wurde der Sarg zum Grab gebracht und von den Schultern der Träger gehoben, dürfen sich die Teilnehmer der Beerdigung setzten. Das Grab muss eine Manneslänge tief und eine halbe Manneslänge breit sein. Das Grab kann entweder zuvor ausgehoben worden sein oder dann ausgegraben werden, wenn der Sarg gebracht wird, wobei das Graben als überaus fromme Tat gilt. Man kann das Grab aber auch ausgraben lassen. Es zeigt in Richtung Mekka und auch der Tote wird in dieser Richtung in das Grab gelegt. Über ihm wird aus Holz, Schilf oder Ziegellehm ein Gestell errichtet das verhindert, dass Erde über ihn geworfen wird, was als Zeichen der Ehre gegenüber dem Toten verstanden wird. Ist das Grab sehr feucht und von weicher Erde, kann der Tote auch im Sarg bestattet werden.

Der Leichnam wird unter Gebeten in das Grab gelegt und anschließend wird es mit Erde zugeschüttet, die jedoch nicht flach enden darf, sondern wie ein Kamelhöcker aufgeschüttet wird. Die Beerdigung muss tagsüber stattfinden.

Nachdem der Leichnam in das Grab gelegt wurde, rezitiert man aus dem Koran. Aus diesem Grunde verlassen die Beerdigungsteilnehmer die Grabstätte nicht sofort. Man nimmt an, dass auf diese Weise der Tote beim ‚GrabverhörÂ’ leichter antworten kann, denn nach islamischen Glauben gibt es ein solches Verhör, das der Tote leichter überstehen kann, wenn ständig Gebete gesprochen werden.

 

Bräuche nach dem Begräbnis

Nach der Beerdigung müssen die Angehörigen sieben Tage lang Geschenke und Essen, entsprechend ihrer ökonomischen Lage, an die Armen verteilen. Im Haus der Angehörigen darf jedoch kein Essen gekocht werden und die täglichen Arbeiten ruhen. Die Angehörigen müssen drei Tage lang im Hause bleiben, um Gäste, darunter Nachbarn und Verwandte, die kommen, um Beileid zu wünschen, zu empfangen und zu bewirten. Soweit wie möglich sollten die Beileidswünsche innerhalb dieser drei Tage überbracht werden.

Das Grab muss sauber gehalten werden, denn man sollte nicht vergessen, dass die Rechte der Toten genau so wichtig sind wie die der Lebenden.
Nach dem Begräbnis sollte das Grab, wenn keine außerordentlichen Gründe vorliegen, nicht wieder geöffnet werden.

Das Grab sollte ein Mal in der Woche, möglichst am Freitag oder Samstag, besucht werden, wobei man vor dem Grab steht und den Koran rezitiert. Da man annimmt, dass wenn man direkt mit dem Toten spricht, dieser einen hört, sprechen viele Leute mit lauter Stimme am Grab. Man sollte jedoch nicht von täglichen Dingen reden, sondern eher ein religiös bestimmtes Verhalten zeigen.

In der islamischen Welt ist der Begriff des Märtyrertums von überaus bedeutender Wichtigkeit. Man glaubt, dass die Menschen, die als Märtyrer gestorben sind, direkt in das Paradies kommen. Über ihren Sarg wird bei der Beerdigungsfeier eine Fahne ausgebreitet. Für Personen, die zum Märtyrer wurden, weil sie ihr Vaterland schützten, werden eigene Feierlichkeiten durchgeführt.

Nach der Beerdigungsfeier bemüht man sich im Haus der Angehörigen, der Seele des Verstorbenen Ruhe zu gewähren, indem man den Koran lesen lässt. Aus diesem Grunde trifft man sich mit Nachbarn und Verwandten am siebten Tag, am vierzigsten Tag und am zweiundfünfzigsten, um den Koran gemeinsam zu lesen. Auf diesen Versammlungen liest man vor allem aus dem Mevlid, einer Lobhymne an den islamischen Propheten Mohammed Mustafa. Es wurde zwar zum Brauch, dass auf allen Versammlungen aus dem Mevlid gelesen wird, aber eigentlich wäre eine Rezitation des Korans angebrachter. In jedem Gebet werden Wünsche für das Glück aller Märtyrer, aller Toten und für alle Menschen auf der Welt geäußert.

Damit die Toten an den Orten, an denen sie begraben wurden, jeder Zeit ungestört sind, wird ihrer stets im Guten erinnert und für sie gebetet.

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